November 7, 2014

Reproduktive Selbstbestimmung, Bericht von der Veranstaltung am 2.11.2014

REPRODUKTIVE SELBSTBESTIMMUNG

Umfangreiche Informationen zu Themen, die zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, klare Standpunkte und eine offene Gesprächsatmosphäre, das zeichnete auch diese Veranstaltung in der frauenpolitischen Reihe Gesprächsreihe Nationalität: FRANKFURTERIN aus. Gäste und Impulsreferentin Nicole von Horst lieferten eine engagierte kommunale Bestandsaufnahme.

 

„Reproduktive Selbstbestimmung – das ist zugegebenermaßen ein abstrakter, sperriger Begriff“, stellte Nicole von Horst, Autorin und Bloggerin, in ihrem Impulsvortrag fest. „Dennoch beschreibt er treffender als viele andere, worum es geht: Es geht um das Recht und die Möglichkeiten aller Menschen unabhängig von ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage und sexueller Orientierung, selbstbestimmt zu entscheiden, ob, wann und wie sie Kinder haben möchte. Und es geht darum mit Respekt behandelt zu werden“, so von Horst weiter.

 

Doch ist das heute überhaupt noch ein Thema, zumal in einer Großstadt wie Frankfurt mit einer Vielzahl an Einrichtungen und Unterstützungsangeboten? Das sahen die Gastgeberin Ursula auf der Heide, frauenpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Römer, und Nicole von Horst ebenso wie die etwa zwanzig Menschen, die am Sonntagmorgen zur Diskussion nach Bockenheim gekommen waren, durchaus so.

 

Sehr konkrete Beispiele machten vielmehr deutlich, dass ein erkennbarer Handlungsbedarf auch in Frankfurt besteht: Etwa wenn von „Jericho-Märschen“ um Pro Familia berichtet wurde oder einer Klinik, die am Wochenende und nachts das Rezept für die Pille danach verweigert oder aber wenn überflüssige Untersuchungen verlangt werden. Auch Gewalterfahrungen bei der Geburtshilfe wurden geschildert.

„Der Kampf um reproduktive Selbstbestimmung ist keineswegs ausgefochten“, meint auf der Heide. „Genau 40 Jahre nach der großen gesellschaftlichen Debatte um die Reform des § 218 bestehen in Deutschland immer noch restriktive, diskriminierende und teilweise kriminalisierende Gesetze fort. Und es gibt schon wieder Initiativen und Parteien, die diese Gesetzgebung noch zu Lasten der Frauen verschärfen wollen.“

IMG_7144Für die fehlende politische Gegenbewegung machten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch ein weit verbreitetes Informationsdefizit  – nicht nur hinsichtlich der rechtlichen Begebenheiten und Beratungsangebote – verantwortlich. So gebe es über alle sozialen Milieus hinweg trotz der Sexualisierung vieler Lebensbereiche ein großes Aufklärungsdefizit über den Umgang mit der eigenen Sexualität, über Zusammenhänge, Bedürfnisse und Grenzen.

Die Schulen jedoch konzentrierten sich bis dato auf die Verhütungsberatung. Daher wurde angeregt, bestehende Angebote durch Frauen- und Gesundheitsdezernat besser gekannt zu machen und Träger auf dieses Handlungsfeld hinzuweisen.

 

„Bei der Auseinandersetzung um reproduktive Selbstbestimmung geht es auch darum, welche echten Entscheidungsmöglichkeiten die Infrastruktur vor Ort hergibt“, so von Horst. Unter anderem deswegen seien kommunale Krankenhäuser weiter wichtig, weil nur so politisch die erforderliche Infrastruktur sichergestellt werden könne. Eine Position, die von der anwesenden GRÜNEN Gesundheitsdezernentin Rosemarie Heilig sehr positiv aufgenommen wurde.

Auch die schwierige wirtschaftliche und rechtliche Situation der Hebammen und deren Auswirkungen auf die Wahlmöglichkeiten des Geburtsorts- und der Umstände wurden thematisiert. In Frankfurt sei es vor allem schwer, eine Hebamme für die Wochenbettbetreuung zu finden.

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Schließlich bestätigte auch die Debatte um das „Social Freezing“, dass reproduktive Selbstbestimmung ein hochaktuelles Thema ist: Amerikanische Unternehmen bieten seit Neuestem ihren Beschäftigten an, sich auf Firmenkosten Eier für eine spätere Schwangerschaft entnehmen und einfrieren zu lassen, um die berufliche Karriere unabhängig vom Kinderwunsch zu gestalten. Dies wurde in der Runde skeptisch und aus vielerlei Gründen keinesfalls als Errungenschaft erweiterter reproduktiver Selbstbestimmung bewertet.

 

Als Fazit waren die Veranstalterinnen und Gäste sich einig, in der gemeinsamen Diskussion wichtige Denkanstöße, erste Handlungsansätze und die Motivation, sich weiter mit dem wichtigen Thema zu beschäftigen, gewonnen zu haben.