April 26, 2018

Reproduktive Selbstbestimmung: § 219a StGB und die Folgen, Februar 2018

Die Römer- Fraktionen erhielten ein Anschreiben von Frankfurter Frauenärzt*innen, die aufgrund des Urteils gegen Frau Dr. Hänel, Frauenärztin aus Gießen, das Recht der Frauen auf freien Zugang zu Informationen und Beratung über Schwangerschaftsabbruch gefährdet sehen. Sie baten die Stadtverordneten um Unterstützung. Es gab daraufhin einen Antrag der FDP, die Arztadressen auf der Website der Stadt zu veröffentlichen. Dort gibt es bisher, auch nicht besonders leicht zu finden, lediglich Hinweise auf Beratungsstellen.

Der Umgang mit dem Thema reproduktive Selbstbestimmung in Deutschland ist aus meiner Sicht unsäglich. Und er berührt mich persönlich. Der Kampf gegen den § 218 STGB ist einer meiner politischen Sozialisationspunkte.  

Hier meine Rede und der Aktuellen Stunde.

Stadtverordnete Ursula auf der Heide, GRÜNE:

 

Frau Stadtverordnetenvorsteherin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Im fünfzigsten Jubiläumsjahr der Frankfurter Frauenbewegung müssen wir heute darüber diskutieren, wie der Zugang von Frauen zu Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch sichergestellt werden kann. Das Recht sexueller und reproduktiver Selbstbestimmung der Frauen – und darum ging es der Frauenbewegung im Besonderen – ist bis heute nicht verwirklicht. Es beschämt mich, dass meine Frauengeneration es nicht geschafft hat, hier den großen Durchbruch zu erzielen.

 

Bis heute ist in Deutschland der Schwangerschaftsabbruch in den §§ 218 und 219 des Strafgesetzbuches unter Tötungen geregelt, in einem Gesetz aus dem Jahre 1871. Bis heute werden damit Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, und Ärztinnen und Ärzte, die ihnen beistehen, kriminalisiert. Der Abbruch bleibt insgesamt rechtswidrig und nur in bestimmten Fällen straffrei. Zur Begründung des § 219a StGB, der ursächlich für unsere heutige Debatte ist, aus dem Jahr 1981, heißt es, dass verhindert werden soll, „dass der Schwangerschaftsabbruch als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird.“ Was für eine zutiefst frauenverachtende Sichtweise. Als wäre ein Schwangerschaftsabbruch jemals für eine Frau etwas Normales.

 

(Beifall)

 

Es ist eine äußerst schwere, eine schwerwiegende und existenzielle Entscheidung, die Frauen damit treffen. Deswegen ist der unkomplizierte Zugang zu kompetenter, wohlwollender und ergebnisoffener Beratung und zu medizinischer Unterstützung so unglaublich wichtig.

 

(Beifall)

 

Wir GRÜNE, Herr Dr. Schulz, treten deshalb für eine Streichung der §§ 218 und 219 StGB ein und für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs im Rahmen eines eigenständigen Beratungsgesetzes. Rechtswidrigkeit hat erwiesenermaßen noch keinen einzigen Schwangerschaftsabbruch verhindert. Wer Leben schützen will, der sollte die Beratung sicherstellen und nicht vor Beratungseinrichtungen Spießroutenlaufen für Frauenärzte und Praxispersonal organisieren, und auch keine Ärztinnen verklagen.

 

Ich bin sehr froh, dass der Magistrat die Website auf die Zugänglichkeit hin überarbeitet und auch die Initiative der Ärztinnen und Ärzte noch einmal aufgreift und überprüft. Vielen Dank!

 

(Beifall)