Januar 7, 2017

Früher war mehr….Schildkrötensuppe. Zur Kritik am neuen Henninger Turm

Manche Artikel und Kommentare zum neuen Henninger Turm nerven.

„Taugt nicht als Symbol für Heimatgefühl… „ein Wohnturm nur für die Superreichen“, „nur Luxuswohnungen… “ , „dem schnöden Mammon geopfert“, das sind allzu zustimmungsheischende Plattitüden, so meine ich, die der Entwicklung dieses Areals und des Turms nicht gerecht werden.

Die jetzt so verklärten Jahrzehnte des alten Turms habe ich miterlebt. Ich bin in der Nähe des Henninger Turms geboren und groß geworden und wohne auch jetzt schon lange wieder dort.

Er war ja nie schön, der Henninger, ein Silo eben, aber in der Tat, ebenso wie der Goetheturm und die Warte ein identitätsstiftendes Bauwerk für das südliche Sachsenhausen, auch für mich.

Ich verbinde den alten Turm aber auch mit dem Mief der Fünfziger und Sechziger Jahre, mit Königin Pastetchen, Hawaitoast, Schildkrötensuppe und Fürst Pückler Eis bei den seltenen Familienausflügen. Denn auch damals konnten Normalverdiener mit Familie nur ausnahmsweise ins Turmrestaurant einkehren, das wird in den Schilderungen der guten alten Zeit völlig verklärt.
Als Teenager war noch die Bowling Bahn am Fuße des Turms für mich von Interesse. Der Turm eigentlich gar nicht, er gehörte einfach dazu.
In den letzten Jahren waren der Turm, ebenso wie die scheußlichen Bauten im Umfeld, für mich lediglich bauliche Relikte, die mit wenig Charme vor sich hin alterten.
Ich hatte noch einmal die Idee im Turm ein VERTIKALMUSEUM dort zu errichten. Ein Museum, bei dem man z.B. von einem Glasaufzug im Inneren großflächige und großräumige Exponate bestaunen kann. Abgesehen davon, dass die Realisierung der Idee über öffentliche Mitteln in Zeiten der Konsolidierung völlig unrealistisch war, gab es zwei Killersachverhalte, die auch andere Nutzungen bei Erhalt des Turms verunmöglicht haben.

Die besondere Bauweise (wie aufeinandergestapelte Bierkästen, so hat es der damalige Planungsdezernat Schwarz einmal ausgedrückt), insbesondere aber das fehlende zweite Treppenhaus für den Brandschutz. Diese beiden Gegebenheiten hatten auch jede andere Nutzung ohne unattraktive umfangreiche Anbauten verhindert.

 

Dass er also irgendwann abgebrochen wird, der Turm, war vorher zu sehen.
Aber was zunächst geplant war!
Ein „Hochhauskranz“ mit Wohnungen und Büros war geplant, ein Pendant zu den gewaltigen Baukörpern auf der westlichen Seite der Darmstädter Landstraße, den Hochhäusern der Mailänder Straße, der Tucholskystraße und des Grethenwegs mit den hochhaustypischen klimatischen Verwerfungen, aber auch sozialen Problemen u.a. wegen des Fehlens einer Infrastruktur insbesondere für Jugendliche.
Genau deswegen waren z.B. der Ortsbeirat und viele Bürger* innen geschlossen gegen diese Bebauung. Und der alte Henninger Turm wurde zum Symbol des Widerstandes, auch derer, die ihn immer scheußlich fanden, denn die gab es durchaus.

Aber wir Sachsenhäuser*innen haben dann doch – so meine ich- richtig Glück gehabt. Und zwar mehr als einer Hinsicht. Es war zunächst eine wirklich glückliche Fügung für den Sachsenhäuser Berg und den Turm (und nicht nur für die Stadt), dass die Brauerei sich zum Bleiben entschieden hat und komplett neu geplant wurde.
Es war weiter glücklich, dass das Architekturbüro Meixner sich der Geschichte und der Emotionen, die mit dem alten Turm verbunden ist, so sensibel angenommen und die Figur des Turms erhalten hat.

Mit den „Stadtgärten“ hat sich der Investor für eine für heutige Verhältnisse lockere Bebauung entschieden. Soziale Struktur und Versorgungsinfrastruktur, Einrichtungen auch für Jugendliche sind Teil des Bebauungsvorhabens, dazu viele Grünflächen, die Öffnung des Schubertschen Gartens für Öffentlichkeit, alles Forderungen und Wünsche aus dem Stadtteil.

Ja, die Wohnungen im Turm selbst sind teuer. Wohnhochhäuser sind teuer, kosten ein Vielfaches, auch wenn sie nicht in der Qualität erstellt werden, wie der neue Henninger. Das energetische Konzept mit der geothermischen Anlage z.B. ist beeindruckend.
Sehr erfreulich ist, dass ein großer Teil der Wohnungskäufer*innen in den Turm einziehen, selbst dort wohnen will, wie zu hören ist. Ältere Menschen z.B., die jetzt in einem Einfamilienhaus in auch in Sachsenhausen haben, haben sich wegen der guten Infrastruktur und der umfangreichen Conciergeangebote eingekauft. Als Superreiche würde ich die nun nicht betiteln, auch wenn klar ist, dass die TOP Wohnungen nur einer kleinen Käuferschicht zugänglich sind.
In den Stadtgärten sieht es noch einmal anders aus. Ich gehe regelmäßig im neuen Quartier spazieren und habe auch einfach mal Bewohner, die z.B. gerade beim Einzug waren angesprochen (der Hund hilft dabei). Das sind Leute, die z.T, bisher zwei Straßen weiter gewohnt haben, ganz normale Mittelschichtfamilien, wie man auch an den Einrichtungsgegenständen des Schwedischen Möbelhauses erkennen kann, die beim Umzug ausgeladen werden.
Im Wettbewerb um die Stadtgärten konnte ich leider die Architekten und Investoren nicht davon überzeugen, dass sie mehr optimierte Flächengrundrisse für Familienhaushalte schaffen, Vierzimmerwohnungen auf deutlich weniger als 120 m2, damit sie eben auch für Mittelschichtfamilien mit größeren Kindern erschwinglich bleiben. Die Nachfrage bei den ersten Bauabschnitten hat jetzt aber zu einem Umdenken geführt, wie ich erfahren habe.

Die umfangreichen Infrastruktureinrichtungen, die Läden, die Restaurants am Turm, Kita, Fitnessclub, Flächen für Jugendliche und der Park werden großen Zulauf nicht nur von Quartiersbewohnern bekommen, sondern von vielen Bewohner*innen am Sachsenhäuser Berg, die bisher nicht gerade mit Infrastruktur verwöhnt waren.
Auch der neue Henniger Turm wird eine Landmark setzen, für Besucher*innen aus dem Quartier, aus Sachsenhausen, aus der Stadt und Besucher* innen. Stadtevents werden die fantastische Aussicht bewerben und die Stadtführer werden die Geschichte des Bauwerks und dessen Besonderheiten erzählen – eine typische Frankfurter Geschichte.
Ich freue mich darüber.