Februar 7, 2014

Der TURM und ich

Der Turm mit seinen zahlreichen Dysfunktionalitäten war für mich gebaut, das war mir sofort klar. Für Studierende aus Nichtakademikerhaushalten, LehramtsstudentInnen, welche ja seinerzeit (?) 1972 bis 1975 nicht als wahrhaft akademisch Studierende angesehen wurden.

Ja, der Turm, das war meiner Wahrnehmung nach Billig- Architektur, sozialer Universitätsbau sozusagen, für die vielen zusätzlichen Studierenden, die seit Mitte der 60er neu zu den Unis strömten und für die in den altehrwürdigen Hörsälen kein Platz war.

245.000 Studierende gab es Deutschland 1965, (34% Frauen), 1975 waren es 836.000. Heute sind es übrigens über 2 Mio, davon 50% Frauen.

Menschentrauben vor den Aufzügen und Seminarräumen, die allgegenwärtigen Zettel „Hier sind auch keine Stühle mehr“, die Schnitzeljagd zu den Veranstaltungsräumen sind bekannt und legendär, ebenso wie das Steckenbleiben in den Aufzügen.

Ich habe die Zweckbauten nicht als klassenlos, als Zeichen demokratischer Kultur empfunden. Ich war ehrlich gesagt auch nie ein Fan der Kramer- Bauten, auch wenn ich jetzt dafür eintrete, dass sie in Teilen als architektonische Zeitzeugen erhalten bleiben.

Die Bibliothek z.B. habe ich gehasst.  Laut, schlecht belüftet, im Sommer unerträglich heiß, keine gute Lernatmosphäre. Ich bin immer nur so lange geblieben, wie es sein musste.

Aber in die alten Hörsäle, in denen der Mief aus 1.000 Jahren hing, wollten wir ja gerade nicht.

Die häufig chaotischen und wenig komfortablen Rahmenbedingungen haben aber einem guten Studium nicht im Wege gestanden. Im Gegenteil, wer hier ein Studium möglichst in Regelzeit abschließen wollte, der musste lernen, sich selbst zu organisieren, sich Ziele zu setzen, erst recht, wenn das Studium selbst verdient werden musste.

Ich habe jedenfalls sehr viel lernen können, im Turm und überhaupt am Campus Bockenheim dieser Jahre.

Dem Turm, dem Gebäude, trauere ich nicht nach. Ich wollte ihn nie überhöht sehen, weder durch Ablehnung, noch durch demokratische Aufladung oder jetzt Nostalgie.

Als Grüne Planerin frage ich mich allerdings, wie die Energiebilanz dieses Abbruchs aussieht und ob es nicht möglich gewesen wäre, den Turm zu revitalisieren und für Wohnungen zu nutzen.

Erst recht, wenn an dessen Stelle möglicherweise nur eine „Cash Cow“ für die ABG gebaut werden soll und der städtebauliche Beitrag für das Quartier unklar bleibt.

Aber auch wenn es dazu noch gute Antworten geben sollte, lässt mich die Sprengung nicht kalt.

Mehr als alles andere, ist sie für mich Symbol, dass der alte Campus, „meine“ Bockenheimer Uni endgültig passe ist. Und der trauere ich schon nach. Denn vom freien, leidenschaftlichen Geist, der Bereitschaft alles in Frage zu stellen, dem Drang den Dingen auf den Grund zu gehen, spüre ich auf dem fraglos sehr schönen Campus Westend wenig. Noch nicht einmal die  IVI -MacherInnen, deren Anliegen teilweise durchaus meine Sympathien fanden, haben den Mut gehabt, auf dem neuen Campus Pflöcke einzuschlagen und Kieselsteine der unangepassten Theorie und Praxis im glatten Unibetrieb zu sein.

Sie hatten sich stattdessen in einer Nische niedergelassen und auf Subventionen des Systems spekuliert, das sie ablehnen.

Aber das ist ein anderes Kapitel.

Die Pläne für das Gelände des alten Bockenheim- Campus haben großes Potenzial für ein spannendes neues Quartier, das steht für mich außer Frage. Und ich hoffe, dass bald die Studierenden der Künste dort wieder für Leben, kreatives und produktives Chaos, vielleicht eine „Neue Frankfurter Kultur- Schule“ sorgen.

Und am gediegenen Westendcampus und im neuen Studie – Haus ist hoffentlich auch Platz für Studierende aus allen gesellschaftlichen Schichten und für Studiengänge, die Zeit für mehr als nur das Pflichtstudium lassen.